Hella Köster

Die Gemeinde Billebrinkhöhe der ersten Jahre ist für mich der Inbegriff meiner erinnerbaren Kindheit. Ich war 4 Jahre alt, als unsere Familie 1962 in das bereits fertige Pfarrhaus einzog. Da war die Kirche direkt nebenan noch im Bau. Die evangelische Grundschule schräg gegenüber musste auch noch fertig gestellt werden und ich gehörte dann zum ersten Jahrgang, der dort eingeschult wurde. Das damals noch freie Feld auf der anderen Straßenseite war unser erster Spielplatz. Bald wagten meine beiden Schwestern und ich uns (mit dem Dreirad) die Billebrinkhöhe hinauf und um die Ecke zum Lebensmittelladen der Familie Kleuters und zum Bäcker. Weiter unten auf der Dinnendalstraße wohnte der Kinderarzt Dr. Sauerbrei, der bei unseren kollektiven Kinder- und Familienkrankheiten immer Hausbesuche machte.

Und dann gab es da noch die vielen Menschen, die wie selbstverständlich in unserem Haus ein und aus gingen: Kinder aus der Nachbarschaft, Gemeindemitglieder, Berufskollegen meines Vaters und Verwandte, die teilweise von weit her kamen, um uns zu besuchen.

Und nicht zu vergessen, die Bettler, die im Eingangsraum von meiner Mutter Eva, geb. Dieckmann, mit warmem Essen versorgt wurden. Nicht zuletzt war sie es, die mit ihrem herzlichen und fröhlichen Wesen die Menschen anzog und nicht nur ein offenes Haus, sondern auch ein offenes Ohr für alle hatte.

Die Gemeinde war unser Zuhause. Ingeborg Schlottman gehörte als Gemeindehelferin fast zur Familie und Lieselotte Kraushaar war unsere Tante Lotti.

Für mich war es etwas ganz Besonderes, als jüngstes Mitglied mit meiner Block- und Altflöte im Instrumentalkreis bei Frau Hornung mitzuspielen und ich durfte dafür ausnahmsweise länger aufbleiben.

Durch den Tod meiner Mutter, 1968, brach für mich eine bis dahin „heile“ Welt zusammen. Besonders tragisch war es, dass mein Bruder Johannes erst einen Monat zuvor geboren worden war. Ich erinnere mich, dass uns viele Gemeindemitglieder gerade in der ersten Zeit geholfen und getröstet haben. Mit der neuerlichen Eheschließung meines Vaters im darauf folgenden Jahr ging die enge Verbindung der Familie zur Gemeinde verloren, auch wenn wir noch einige Jahre im Pfarrhaus lebten.

Für mich waren es in dieser Zeit der Konfirmandenunterricht und die Jugendgruppe, beides geleitet von Ingeborg Schlottmann, die mir Halt gaben und mich prägten. Themen wie Liebe und Sexualität im Konfirmandenunterricht zu behandeln, das war neu und mutig und sicher nur vor dem Hintergrund der ebenfalls progressiven pädagogischen Gesinnung meines Vaters möglich.

Mit dem Wechsel meines Vaters in die Gemeinde Essen-Kray zogen wir weg aus der Billebrinkhöhe. Doch es blieben Freundschaften durch meine Jugend hindurch erhalten und der Kontakt zur Familie Schlottmann besteht bis heute.

Jahre der Berufsfindung, die Ausbildung zur Hebamme (1982) und die Tätigkeit in dem Beruf haben mich durch verschiedene Städte geführt, zuletzt nach Solingen. Seit der Weiterbildung zur Diplommedizinpädagogin (1997) bin ich in der Hebammenausbildung tätig. Währenddessen ist mein Sohn Moritz (19 J.) an meiner Seite herangewachsen und inzwischen schon aus dem Haus.

Das Modell für die Kirchentür von dem Künstler Heinz Kupfernagel hängt in meiner neuen Singlewohnung an der Wand und hält die Erinnerung an die gute Zeit auf der Billebrinkhöhe in mir wach.

Solingen, im Februar 2005                           Hella Köster